Montag, 19. Dezember 2011

Ein Fahrgast hinterlässt viele Fragen

Die folgende Geschichte ist eine von der Sorte, deretwegen ich seinerzeit das Bloggen angefangen habe. Absurd, WTF, viele Fragezeichen. Ich suche ja nicht nach bloggbaren Geschichten, sondern die Geschichten finden mich einfach. Und manchmal muss ich die loswerden. Irgendwie.

Sonntagmorgen, gegen halb acht in der Schlesischen Straße. Ich sah gerade noch den ausgestreckten Arm am Straßenrand. Ein junger Mann, so um die Mitte Zwanzig. Ohne Jacke, aber mit zwei Brötchentüten in der Hand. Dafür mit mächtig Alkohol (andere Drogen?) im Blut.

"Zum Berliner Hauptbahnhof."

Zum Hauptbahnhof, ohne Jacke (gerade mal +2°C) und ganz ohne Gepäck? Okay, ich vermutete, dass er gar nicht zum Bahnhof wollte, sondern eher in ein in der Nähe gelegenes Hostel. Und so fragte ich auf dem Weg kurz mal nach.

"Direkt zum Bahnhof."

Und danach schlief er ein.
Am Bahnhof angekommen, musste ich ihn etwas unsanft wecken, da die gefühlvolle Variante erfolglos blieb.

"So, wir haben jetzt 15 Euro auf der Kasse."

Es kam, wie es kommen musste. Wer jemals versucht hat, einen Stockbetrunkenen aus dem Schlaf zu reissen und dann diesen höchstkomplizierten Vorgang des Geldbeutelsuchens abverlangen musste, weiß wovon ich rede. In Zeitlupentempo durchsuchte er all seine Taschen. Und davon hatte er reichlich. Ergebnis: Niente.

Ob mir das was ausmachen würde, hier zu warten, er würde nur kurz zum Automaten und Geld ziehen. Er wolle dann auch weiterfahren. Inzwischen doch etwas angenervt, bestand ich darauf, ihn auf seinem Gang zum Automaten zu begleiten. Fand er Okay.

Nach weiterem Durchsuchen seiner vielen Taschen fand er tatsächlich eine Geldkarte und welch Wunder, der Automat spuckte sogar einen Fuffi aus. Okay, Geld hat er ja nun und den Rest der Fahrt würde er also bezahlen können.

"Jetzt zur Nöldnerstraße."

(WTF???) "Aber aus dieser Ecke kommen wir doch gerade."

"Ja, da will ich wieder hin."

Und widmete sich endlich dem Inhalt seiner Brötchentüte. Die vielen Fragezeichen in meinem Gesicht kann man sich ungefähr vorstellen, aber wenn er unbedingt will...
Er aß den Inhalt der ersten Tüte auf und schlief wieder ein. Dabei hielt er krampfhaft seine zerknüllte Tüte fest.
Am Anfang der Nöldnerstraße angekommen, weckte ich ihn wieder. Vor lauter Schreck nahm er erstmal einen herzhaften Bissen von seiner Papiertüte und murmelte etwas von "Platz". Sind nur ein paar Meter zum endgültigen Ziel, dem Nöldnerplatz. Wir hatten inzwischen über 30 Euro zusammengefahren und er zückte, diesmal ohne lange Sucherei, den mir bekannten Fuffi, ließ sich das Wechselgeld herausgeben, sagte artig danke und verschwand im S-Bahneingang.

Zurück blieb ein grübelnder Taxifahrer mit vielen Fragen.

Für Ortsunkundige habe ich Verlauf der Strecke bei Google Maps nacherzählt. (Beinahe 18 km). Man beachte die Entfernung vom Ausgangspunkt (A) zum Endpunkt (C) .

Hier noch der direkte Weg (4,3 km).
Selbst mit einem Umweg zu einem EC-Automaten wären es nicht mehr als 5 km geworden.

5 Kommentare:

  1. und du bist dann erst mal staubsaugen gefahren...?!
    nee wirklich, über sone leute denke ich nicht mehr nach; versoffen, verpeilt, verschadelt... da kommen wir eh nie hinter!
    sonntagmorgens halt...

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  2. @mime
    Fußmatte ausschütteln hat gereicht. :-D

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  3. Schöne Geschichte. Hat mich mal wieder zum Lachen gebracht in dieser derzeit grauen Zeit. :-)
    Merci und schöne Grüße

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  4. Im Moment sind echt einige Verpeilte unterwegs...

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  5. @alle
    Wünsche euch allen schöne Feiertage.

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