Montag, 10. September 2012

Um Leben oder Tod

Der Fahrgast riss die die Beifahrertür auf, schmiss sein Jacket auf den Rücksitz:

"Ganz schnell in die XYZ-Straße"

Okay, ganz schnell ist jetzt ein Begriff, den man im Taxigewerbe des öfteren zu hören bekommt. Meistens relativiert er sich aber auf zügig und ohne Umwege auf dem schnellsten Weg.

Aber er fügte hinzu:

"Es geht um Leben oder Tod."

Das war neu.

Er fingerte nervös auf seinem Smartphone, rutsche unruhig auf dem Sitz hin und her und kommentierte jede meiner ausgeführten Fahraktionen mit "rechts ist frei", "grün", "rechte Spur", oder, oder ...

In meinem Kopf spielten sich einige Szenarien ab, was ihn wohl zu dieser dramatischen Formulierung gebracht haben könnte. Kranke Mutter ist aus dem Bett gefallen und liegt hilflos auf dem Boden? Etwas wichtiges für einen Geschäftstermin zu Hause vergessen, wovon der Rest seiner Existenz abhängt?
Für Leben oder Tod ist doch auch ein Taxifahrer nicht zuständig, sondern eher der Notruf 110 oder 112.
Eine vorsichtige Nachfrage meinerseits, um was es sich eigentlich dreht, hat er nicht beantwortet. Und so gab ich mein bestes. Aber immer im Rahmen des Verantwortbaren.

Einmal einen dieser dahinkriechenden Touribusse auf der Tiergartenstraße überholt, eine taxigelbe Ampel mitgenommen, einmal Fußgänger, die bei Rot über die Ampel wollten mittels Hupen verscheucht. Mehr aber auch nicht. Das alles beruhigte ihn kein bisschen. Trotzdem bin ich eine gute Zeit gefahren und als wir an seinem Fahrziel angelangt waren, sprang er panisch aus dem Auto, rief mir noch zu, dass ich warten solle, es ginge gleich wieder zurück und verschwand in einem Wohnhaus.

Was um Gotteswillen geht hier um "Leben oder Tod"?

5 Minuten später kam er deutlich entspannter zurück. Und jetzt gab er auch eine Erklärung ab:

"Ich habe einen Gasherd. Den habe ich angelassen mit einem Topf drauf."

Zuerst fiel mir die Klappe runter ob so etwas banalem.

Erst bei weiterem Nachdenken über seine Situation und die Szenarien, die sich in seinem Kopf aufgebaut haben mögen und ihn in diesen panischen Zustand versetzt haben, konnte ich so etwas wie Mitgefühl empfinden.

Ja, durch vergessene Herde sind schon viele Brände entstanden. Ich kann seine Hysterie inzwischen etwas nachvollziehen. Zumindest ein bisschen.



5 Kommentare:

  1. Oh Schreck, da fällt mir ein: Ich glaube, ich habe meine elektrische Zahnbürste nicht ausgeschaltet!!!

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  2. Viel schlimmer wäre aber, wenn der Vibrator noch läuft und der/die Betreffende merkt es nicht einmal!

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  3. Gasherd ist schon gemein, wenn dir die Bude abfackelt, ohauaha

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  4. Bei einer Nachbarin war die ganze letzte Nacht der Wäschetrockner gelaufen. Ein Nachbar mit Schlüssel hat das Ding dann ausgeschaltet und die später heimgekehrte Bewohnerin informiert. Immerhin hat das Ding bei seinem Marathon nicht angefangen zu brennen. Aber man sollte sowas nicht längere Zeit unbeaufsichtigt angeschaltet lassen! Die Wäsche war jedenfalls sowas von trocken...

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  5. Ja, anfangs dachte ich noch: Wegen solch eines Blödsinns macht der so einen Aufstand. Aber genau wegen solcher Unachtsamkeiten ist schon viel passiert.

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