Montag, 1. Juni 2009

Mitgehört (2)

Zu einer der Handybestellungen, die in letzter Zeit geklappt haben, gehört auch diese kleine Geschichte. Ich war nahe genug dran, um mich für die Bestellung "Handy, Puschkin Ecke Eichen" zu melden. Sie waren noch da. Sie haben zwar wie wild schon von weitem mit den Armen gerudert und es war ihnen auch egal, ob ich jetzt nun die bestellte Taxe war, aber sei's drum, ich hab sie ja gekriegt. Fahrziel: Zuerst eine Sparkasse, dann ins Berghain. Eine Standardfahrt am Sonntagmorgen. Die drei Herren waren allerdings sowas von strull, von normaler Artikulation soweit entfernt, wie der Papst vom Heiraten. Es hat sich herausgestellt, dass nur zwei der drei sich vorher schon kannten. So haben sie sich bei mir im Auto erst mal bekanntgemacht.
"Ich bin Schauspieler. Noch jemand vom Fach"
Keine Resonanz.
"Ich habe einen 1-Jahresvertrag beim XX-Theater in Berlin."
Immer noch keine Resonanz.
"Soll ich euch einen Rilke vortragen?"
Wie gesagt, die waren alle sturzbetrunken. Und dann Rilke?
"Ja, kannst Du das Gedicht Abend?"
"Klar, das krieg ich noch hin."
Und was soll ich sagen, der hat in seinem Suff doch tatsächlich dieses Gedicht fehlerfrei aufgesagt. Verabschiedet haben sie sich von mir mit den Worten:
"Wir wünschen Ihnen noch bessere Fahrgäste als uns"
Daraufhin habe ich mich zum erstenmal geäussert:
"Wer in diesem Zustand noch Rilke fehlerfrei aufsagen kann, kann kein schlechter Mensch sein."
Und wen's interessiert:

Der Abend wechselt langsam die Gewänder,
die ihm ein Rand von alten Bäumen hält;
du schaust: und von dir scheiden sich die Länder,
ein himmelfahrendes und eins, das fällt;

und lassen dich, zu keinem ganz gehörend,
nicht ganz so dunkel wie das Haus, das schweigt,
nicht ganz so sicher Ewiges beschwörend
wie das, was Stern wird jede Nacht und steigt -

und lassen dir (unsäglich zu entwirrn)
dein Leben bang und riesenhaft und reifend,
so daß es, bald begrenzt und bald begreifend,
abwechselnd Stein in dir wird und Gestirn.

Quelle:
http://www.rilke.de

2 Kommentare:

  1. Geil sowas! Wenn man mal solche Fahrgäste hat, war's eine gute Nacht.
    Ich liebe Rilke, v.a. die Gedichte, gibt aber auch ein paar schöne Erzählungen von ihm.
    Eines meiner Lieblingsgedichte ist „Der Panther“:

    „Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
    so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
    Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
    und hinter tausend Stäben keine Welt.

    Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
    der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
    ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
    in der betäubt ein großer Wille steht.

    Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
    sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
    geht durch der Glieder angespannte Stille -
    und hört im Herzen auf zu sein.“

    Nein, ich kann's nicht auswendig ;)

    Ein anderes, das ich auch sehr gerne mag, ist „Das Karussell“ ... und dann und wann ein weißer Elefant...

    Rilke ist ganz, ganz groß! :)

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  2. @Trixi
    Und dabei ist der fast auf allen Vieren ins Taxi geklettert. Ich war ernsthaft beeindruckt.

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