Montag, 26. Juli 2010

Panik

Ich bin immer noch sowas von sauer. Als am Samstag die ersten Meldungen über die Tragödie während der Loveparade in Duisburg erschienen und die Konzeption der Veranstaltung aufzeigten, war ich noch skeptisch. So kann das ja nicht gewesen sein, nein, das wäre ja...
Aber es war sogar noch schlimmer, wie es sich jetzt herausgestellt hat. Ein einziger Zugang, in einem Tunnel, der gleichzeitig als Abgang dienen sollte. Zu einem Gelände, das nur für ein paar hunderttausend Besucher zugelassen und auch noch eingezäunt war!
Ich glaube, ich habe hier im Blog schon mal meinen eigentlichen Beruf, Bühnenmeister, erwähnt. Dieser Beruf beeinhaltet eine umfangreiche Ausbildung. Unter anderem hatten wir einen Vortrag über Ursachen einer Massenpanik. Das Paradebeispiel war eine Inszenierung: Einer ruft während einer Theateraufführung "Feuer". Alle wollen den Saal verlassen. Im Fluchtweg ist eine Rettungstür verstellt. Das heißt, hier geht es nicht weiter. Von hinten wird geschoben, die vorn schieben zurück und so entsteht eine Wellenbewegung innerhalb der Menschenschlange, bei der die vorderen Menschen unter Umständen zerquetscht und die mittleren unter Atemnot und dadurch Todesangst umkommen können. Und einmal unter Hüfthöhe der anderen, das war's dann.
Und die hatten in der Konzeption auch noch ein umzäuntes Gelände? Unfassbar! Wer hat das genehmigt? Leute, es gibt eine VersammlungsstattenVO. Da wird das alles geregelt. und nicht nur der Veranstalter muss ein Sicherheitskonzept vorzulegen, auch eine kommunale Behörde muss das auf Grundlage der  VStättVO genehmigen. Wie jede Theateraufführung auch. Meistens liegt das in den Händen der Bauaufsicht oder der Feuerwehr. Es war vorprogrammiert. Es musste so kommen bei einem Besucherandrang von ca. 1 Million Menschen. Und haufenweise Menschen hatten im Vorfeld auch schon davor gewarnt. Dazu muss man kein ausgebildeter Bühnenmeister sein, dafür muss man einfach nur den Kopf einschalten.
Im ersten Artikel zum Thema auf Zeit-Online , den ich angeklickt hatte, meinte der erste Kommentator: "Das wäre in Berlin nicht passiert." (Inzwischen entfernt) Dem muss ich widersprechen. Die eingezäunte Fanmeile hatte auch ein großes Potenzial. Berlin hat bisher einfach nur Glück gehabt.

6 Kommentare:

  1. Ich fand es auch erschütternd, dass das dort so stattfinden könnte...alles Geier! Ich kenne zwar durch dich und die Bühnenmeisterausbildung ein paar Regeln - aber du hastvollkommen recht: Zu sehen, dass das eigentlich nicht geht mit dem Tunnelzugang, dazu reicht Normalo-Grips auch.
    Ich denke allerdings, dass in Berlin, wo die Menge sicher im Falle eines Falles die Zäune niederreißen oder trampeln könnte/würde die Gefahr nicht zu vergelichen ist mit baulichen Elementen wie Gleisen, Brücken, Tunnel!!!
    Insgesamt unglaublich. Und frau fragt sich wieder, wieviele Volldeppen - und Profit - und Macht- und mir-feht-das-Wort-für-es-schick-finden-dass-das-in-meiner-Stadt-stattfindet- GEIER frei herumlaufen dürfen.

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  2. @Andrea
    Ich bin immer noch ausser mir. Ich habe mir gerade auf YouTube ein paar Videos von Besuchern im Tunnel angeschaut. Man kann den Albtraum erahnen.

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  3. Gier frisst Hirn!
    Die Stadt wollte weltweite Werbung durch Medienpräsenz - die Pressekonferenz die gestern stattfand war auch schon längst geplant, nur ursprünglich unter anderem Vorzeichen. Der Veranstalter wollte ebenfalls maximale PR für minimalen Einsatz usw.

    Die Besucher sollten möglichst weit weg von bewohntem Gebiet bleiben, damit auch keiner an eine Hauswand pinkelt und nichts kaputt geht, das Gelände leicht zu reinigen sein und der Zugang optimal zu kontrollieren.

    Eine tödliche Kombination!

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  4. @B-like-Berlin
    Ich kann mich immer noch nicht beruhigen. So langsam durchschaue ich die Hintergründe. Eine größenwahnsinnige, publicity-geile Stadtverwaltung und ein abschreibungswütiger Mucki-Buden Besitzer gehen über Leichen. schalten vollkommen ihr Gehirn aus und denken nicht über mögliche eigentlich absehbare tödliche Risiken nach

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  5. FAZ: Ruhr-Metropole - Größenwahn und Provinzialität
    http://bit.ly/cqHUZR

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  6. @B-like-Berlin
    Für mich sind zuerst die Stadt Duisburg und dann der Veranstalter die Hauptschuldigen.
    Ich kann nur hoffen, dass man daraus in der Zukunft seine Lehren zieht, dass so etwas niemals mehr passieren kann. Auch nicht auf politischen Druck.

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