Donnerstag, 15. Oktober 2009

Alte Geschichten (5)

Es muss so im Herbst 2006 gewesen sein.
An einem Sonntagmorgen gegen acht Uhr. Eine Winkerin am U-Bahnhof Heinrich-Heine-Str. Eine Dame im Alter Mitte Dreissig.

"Zum Platz-vor-dem-Neuen-Tor bitte."

Es war ihr zu umständlich weiter mit U- und S-Bahn zu fahren. Irgendwie kam das Gespräch auf die Ladenöffnungszeiten, die damals sehr in der Diskussion waren. Obwohl ich selbst ja durchaus gewerkschaftlich organisiert bin, fand ich den Zirkus, den Verdi und Konsorten zu diesem Thema veranstalteten, völlig daneben.  Da ich schon immer im Dienstleistungs-Sektor arbeitete, waren Arbeitszeiten ausserhalb der normalen sieben-bis-vier-uhr Schichten völlig normal.
Sie war da aber anderer Meinung.
Ich:
"Wenn die Gewerkschaften gleichviel Energie und Aufwand in anständige Rahmentarif-Verträge investieren würden, anstatt völlig zu mauern, wären wir viel weiter."

Nochmal ich:
"Sie haben heute morgen doch bestimmt schon Radio gehört, haben eine Zeitung aus dem Briefkasten geholt, sind mit der U-Bahn gefahren, werden heute vielleicht noch ins Kino gehen, vorher einen Kaffee trinken oder Abends noch fernsehen - vielleicht ins Theater? Vorher noch Essengehen? Alles Dienstleistungen, die absolut selbstverständlich sind."

Es war ihr aber nicht beizukommen. Sie beharrte darauf, dass die Verkäufer/innen ganz arm dran wären.

Ich:
"Ich freue mich auf jeden Fall auf meinen nächsten USA Urlaub im Januar und auf die dortige Dienstleistungs-Mentalität. Es kostet zwar immer ein bisschen was, aber man kriegt dann auch den gewünschten Service"

Sie:
"Um Gotteswillen, solche Zustände wollte ich hier nie haben."

Ich habe sie dann vor der Parteizentrale der GRÜNEN abgesetzt. Konnte mir aber den Abschiedssatz nicht verkneifen:

"Schön doch aber, dass Taxifahrer auch Sonntags arbeiten."


Mann, wenn ich dran denke, vor zwanzig Jahren musste man seine Einkäufe Samstags bis 12:00 Uhr erledigt haben.

2 Kommentare:

  1. So ähnliches hab´ich meinem 16jährigen Kind heute um 18:05 Uhr auf dem Weg ins ALEXA auch versucht zu vermitteln: "Weisste es ist eigentlich noch gar nicht so lange her, daß um die Uhrzeit alle Läden zu hatten und du eigentlich nur noch nach Hause gehen konntest..." "???!!!"

    US-amerikanische Zustände mag ich hier aber auch nicht haben, weil da gehört ja noch´n bißchen mehr zu (z.B. hire & fire)

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  2. @mime
    Deshalb sagte ich ja: Vernünftige Manteltarif-Verträge!
    Was mich damals an dieser Diskussion so angekotzt hat, war, dass genau diese Leute, die sich vehement dagegen ausgesprochen haben, diejenigen waren, die wie selbstverständlich solche Dienstleistungen (auch und gerade im Kulturbereich) in Anspruch genommen haben, ohne sich über den Hintergrund der dort arbeitenden Menschen Gedanken zu machen.
    Das sollte dieser Artikel eigentlich ausdrücken.

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